Justizskandal: Das skandalöse Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall Kathrin Kahl

Am 2. Juli 2018 weist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unter skandalösen Umständen die ein Jahr zuvor eingereichte Verfassungsbeschwerde zurück, und setzt so einem jahrelangen Kampf für Gerechtigkeit mit einem Skandalurteil ein unrühmliches und unumstößliches Ende.

Der Justizskandal im Detail – Ein Überblick über den Verlauf

Frau Kathrin Kahl verstirbt am 1. Juni 2010 im Krankenhaus D. (in MV) infolge einer Chemotherapie. Aufgrund schwerwiegender ärztlicher Behandlungsfehler wird gegen die behandelnden Ärzte Strafanzeige wegen des dringenden Verdachts der fahrlässigen Tötung gestellt.
Auf richterliche Verfügung erfolgt von Juni bis September 2010 die Durchsuchung von Diensträumen und die Beschlagnahmung von Unterlagen. In den folgenden fünf (!) Jahren werden die Ermittlungen systematisch verschleppt. Trotz massiver fachanwaltlicher Proteste wird das Verfahren im März 2015 eingestellt. Die Begründung: Der Tod von Kathrin Kahl lasse sich angeblich nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf ärztliche Fehler zurückführen. Was folgt, ist eine Reihe von Fehlurteilen, die zu einem Justizskandal führen.

  • Beschwerde (März 2015): Im Februar 2017 (!) von der Generalstaatsanwaltschaft R. zurückgewiesen.
  • Klageerzwingungsantrag (März 2017): Vom OLG R. aufgrund angeblich fehlerhafter Formalien als unzulässig abgelehnt (Mai 2017).
  • Verfassungsbeschwerde (2017): Bundesverfassungsgericht gesteht im Urteil vom 2. Juli 2018 ein, dass der angefochtene Beschluss des OLG R. eine Grundrechtsverletzung nach Art. 19 Abs. 4 GG (1.) darstellt. Die Verfassungsbeschwerde wird aber trotzdem zurückgewiesen, da die Tat bereits verjährt sei.

Warum handelt es sich um einen Justizskandal?

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gesteht eine Grundrechtsverletzung durch das OLG R. ein, nimmt die Verfassungsbeschwerde allerdings nicht zur Entscheidung an und deklariert seinen Beschluss als „unanfechtbar“. Die Begründung der Verjährung entbehrt jeder Grundlage und macht aus einer Reihe von Fehleinschätzungen und Fehlurteilen einen Justizskandal.

  • Exkurs Verjährung: Im Arztstrafrecht beträgt die Verjährungsfrist für fahrlässige Tötung zunächst 5 Jahre. Finden in diesem Zeitraum weitere Ermittlungen statt oder werden neue Gutachten in Auftrag gegeben, beginnt ein neuer 5-Jahres-Zyklus, bis zu maximal 10 Jahren insgesamt.

Nachdem 2010 die richterlich verfügten Ermittlungen gegen die behandelnden Ärzte stattfinden, startet der 5-jährige Verjährungszyklus. Somit gilt: Finden in den nächsten fünf Jahren weitere Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft (StA) statt, so wird der Zyklus unterbrochen und die Verjährungsfrist startet neu.

Das BVerfG bestätigt dieses Vorgehen in seinem Urteil, begrenzt es jedoch auf die „richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts N.“ aus 2010. Neben dem Verweis auf nicht existente Quellen, die später in einem Berichtigungsbeschluss bereinigt werden, erfolgen konfuse Verweise auf „rechtsmedizinische Gutachten“. Um welche Gutachten es sich hier genau handelt, bleibt offen. Die von der StA N. in Auftrag gegebenen Gutachten waren keinesfalls „rechtsmedizinischer“ Natur:

  • März 2011: Zusammenhangsgutachten an Prof B.
  • November 2013: Internistisch-onkologisches Gutachten an Prof. Tr.

Die am 13. November 2013 erfolgte Beauftragung von Prof. Tr. mit der Erstellung eines internistisch-onkologischen Gutachtens muss zwangsläufig eine Verjährungsunterbrechung nach §78c Abs. 1 Nr. 3 nach sich ziehen.

Kurz: Bei korrekter Anwendung der in §78 StGB festgehaltenen Reglung zur Verjährung, verstreicht die Verjährungsfrist frühestens am 12. November 2018! Der im BVerfG Fehlurteil berechnete Ablauf der Verjährungsfrist für 2015 ist schlichtweg falsch.

Der Justizskandal in der Zusammenfassung:

  • Massive Behandlungsfehler bei der Chemotherapie
  • Aktenbelegte Verschleppung der Ermittlungen
  • Zu Unrecht zurückgewiesener Klageerzwingungsantrag durch das OLG R.
  • Grundrechtsverletzung nach Art. 19 Abs. 4 GG (1.)
  • Nachträgliche Korrektur von groben Fehlern in der Urteilsbegründung
  • Falsche Anwendung des im StGB festgehaltenen Verfahrens hinsichtlich einer Unterbrechung der Verjährungsfrist

Was bleibt, ist ein skandalöses und unanfechtbares Fehlurteil des Bundesverfassungsgerichts und zahlreiche offene Fragen zu diesem Justizskandal.